Gott spricht: Ich will dich mit meinen Augen leiten. Psalm32.8

Denkanstoß zur Fastenzeit

Am Aschermittwoch begann die 40-tägige Fastenzeit. Die Fastenzeit wird auch „Passionszeit“ bezeichnet.

Passion bedeutet laut Duden:

a. Leidenschaft, leidenschaftliche Hingabe

b. Vorliebe, Liebhaberei

c. das Leiden und die Leidens­geschichte Jesu Christi und ihre Darstellung in Kunst und Musik.

Fasten ist deshalb nicht in erster Linie „Verzicht“.

Fasten im christlichen Sinn bedeutet, um einer Leidenschaft willen, einer Vorliebe willen, einer Liebhaberei willen, lasse ich viele Nebensäch­lichkeiten sein.

Ich konzentriere mich.

Ein Fußballer, der einen Elfmeter schießt, rennt nicht aufgeregt herum. Er konzentriert sich auf den einen platzierten Schuss. Dieser kann spielent­scheidend sein. Um sich diese einmalige Chance nicht entgehen zu lassen, lohnt es, auf alle anderen Nebensäch­lichkeiten auf dem Platz zu verzichten.

Jede Leidenschaft, jede Vorliebe, jede Liebhaberei erfordert Konzen­tration auf das Eine. So wurde von alters her die „Fastenzeit“ im christlichen Sinn verstanden. „Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes...“ (Mt.6,33).

Als ich mich zum ersten Mal auf das Abenteuer des Fastens für eine Woche eingelassen hatte, (Nulldiät) war für mich nach dieser Woche Fasten die wesentliche Erkenntnis: Ich habe überlebt! Ich bin nicht verhungert – auch wenn es keine Spätzle, kein Fleisch und keine Kartoffeln gab!

Ich habe auch festgestellt: Ich hab nicht nur überlebt, sondern: Ich fühl mich pudelwohl: körperlich, seelisch, geistig, geistlich. Es geht mir besser als vorher. Viele Beschwerden körperlicher, seelischer und geistlicher Art waren wie weggeblasen.

Da habe ich geistig/geistlich plötzlich gemerkt: „Der Mensch lebt tatsächlich nicht vom Brot allein“ (Mt.4,4). Das Leben in mir ist stärker, als ich vermutet habe. Das Leben in mir, lebt, auch wenn ich nichts mache. Mein Herz schlägt noch, auch wenn ich nicht ständig esse. Mein Atem geht ganz von selbst, ohne dass ich etwas dafür etwas tue.

Wer das mal geistig/geistlich erlebt hat, der muss beim Frühstück nicht schon sorgenvoll daran denken, was er zum Mittag isst. Beim Mittagessen muss er nicht schon wieder daran denken, was er zum Abendbrot isst. Es soll ja Menschen geben, die die Hunger­strecke von einer Mahlzeit zur andern nur mit Fastfood und Süßig­keiten überwinden können...

Wer fastet erlebt diesen Bewusst­seins­wandel: Das Leben in mir ist stärker, als ich vermutet habe! Oder - um es theologisch zu sagen: Wer fastet erlebt den Sieg des Geistes über das Fleisch!

Einige Christen haben in den letzten Jahren bei der Aktion „7 Wochen ohne“ (siehe auch: www.7wo.de) mitgemacht. Sie haben in der Fastenzeit auf lieb gewordene Gewohn­heiten verzichtet. Alkohol, Süßig­keiten, Rauchen, Fernsehen, Internet...

Jemand, der da auch mitgemacht hat, sagte: „Als ich ganz bewusst anfing, auf bestimmte Dinge zu verzichten, merkte ich, wie ich mich geistig ständig mit meinen leib/seelischen Bedürf­nissen beschäftige und gar nicht so frei bin, wie ich mir eingebildet habe“.

Da hat dieser Bewusst­seins­wandel statt gefunden. Ich frage mich, was in unserem Gemeinschafts­bezirk los wäre, wenn es da Menschen gäbe, die das ganz existenziell erfahren haben: „Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit , so wird euch das alles zu fallen“ (Mt.6,33).

In diesem Sinn wünsche ich Ihnen eine gesegnete Fasten- und Passionszeit.

Ihr Günther Röhm