Denkanstoß zu Pfingsten
Am Abend des ersten Wochentags kam Jesus durch verschlossene Türen (Joh.20,19). Gemeint ist damit eindeutig der Abend des Ostertages. Und er spricht: „Empfanget den Heiligen Geist!” (Joh.20,22).
Was stimmt denn da? Werden wir durch das heutige Evangelium um fünfzig Tage zurückgeworfen? Was hat denn Pfingsten mit Ostern zu tun?
Pfingsten ist in erster Linie ein Herrenfest, ein Fest des Auferstandenen. Es lohnt, diesen Zusammenhang anzuschauen. Jesus kommt also am Osterabend durch verschlossene Türen zu den von seinem Tod noch tief verstörten Jüngern. Er begrüßt sie mit dem Friedenswunsch und weist sich gleichsam durch die Wundmale an Händen und Seite aus. Dann haucht er sie an mit den Worten: „Empfangt den Heiligen Geist!”
Sowohl in den hebräisch wie in den griechisch verfassten Büchern der Heiligen Schrift bedeutet “Geist” - rûach, pneuma - so viel wie “Windhauch”, “Lebensodem”, “Atem”, “göttliche Kraft”. Als Mönche im 8. und 9. Jahrhundert in ihren Klosterschreibstuben das lateinische spiritus sanctus in ihre Muttersprache zu übersetzen versuchten, nannten sie es im oberdeutschen Sprachraum “heilag atum”, “heiliger Atem”. Sie trafen damit ziemlich genau den biblischen Sinn von “Geist”. Atem als Bild für Gottes Geist geht aus von der Erfahrung, dass wir nicht leben können, ohne zu atmen. Ich habe gelesen, dass im Altjapanischen “Leben” die “Macht der Atmung” bedeutet.
Pfingsten – das Thema des Festes ist das Geheimnis des Lebens. Für die Jünger bedeutet dies, zu erfahren, dass Jesus ihnen durch seine Auferstehung und Himmelfahrt nicht entzogen ist, sondern dass die Ausschüttung des heiligen Geistes gleichsam eine Tür ist, durch die er erst wirklich zu ihnen kommt. Bisher haben sie ihn nur so erlebt, wie wir alle einander erleben, wenn wir uns treffen, miteinander reden und uns wieder trennen, eingebunden in Raum und Zeit, voneinander geschieden durch unsere Individualität. Jetzt aber sind sie im wahrsten Sinne des Wortes be-geistert.
Sonnenuntergänge begeistern mich. Wie oft habe ich über die Farbenvielfalt gestaunt und war fasziniert von dem grandiosen Naturschauspiel. Neugeborene begeistern mich. Immer wieder bin ich verzaubert vom Wunder des Lebens. Und beeindruckt über die großartigen kleinen Originale “Made by God”. Gutes Essen begeistert mich. Wenn ich an Jägerbraten, Spagetti Carbonara oder eine feurige Pizza denke, läuft mir das Wasser im Mund zusammen.
Wenn ich aber sage: “Gott begeistert mich” dann ist das allerdings etwas ganz anderes. Diese Begeisterung ist mit nichts zu vergleichen. Gottes Macht und seine Größe sind unfasslich. Seine Barmherzigkeit und Treue sind unbegreiflich. Ich komme nicht aus dem Staunen heraus, wenn ich an seine Heiligkeit und Liebe denke.
Gott hat mich nicht nur emotional begeistert, sondern mit seinem Heiligen Geist beschenkt. Deshalb ist die Be-geisterung durch und über Gott nicht von äußeren Faktoren abhängig. Sie bleibt, auch wenn das Gefühl im Keller ist. Gottes Geist schenkt uns die innere Gewissheit, dass wir Gottes Kinder sind. Dieses Wissen stärkt mich, wo ich verzagt bin, trägt mich, wenn ich zweifle und hält mich, wenn ich haltlos werde.
Durch seinen Geist hilft uns Gott, dass wir sein Wort verstehen. Sein Geist führt und leitet uns. Er rüstet uns aus und gibt uns den Mut, dass wir uns zu Jesus bekennen. Wer Gottes Geist hat, darf ganz unkompliziert “drauflos beten”. Der Heilige Geist “dolmetscht” unser Bitten vor Gott.
Sind Sie schon begeistert? Begeistert über Gott, der uns seinen Heiligen Geist gibt? Ohne Leistung? Einfach so? Jesus, der Sohn Gottes, hat es so ausgedrückt: „Der Vater im Himmel gibt den Heiligen Geist denen, die ihn bitten.” (Lk.11,13)
Ihr/Euer Ernst Günter Wenzler